Marianne Schmidt


Gedichte von Marianne Schmidt



Berlin, Jüdisches Museum



Sonnentag, kalt und klar,

Wind zaust dein Haar.

Such die Vergangenheit,

find ein Stück neue Zeit,

find auf den Kopf gestellt,

was man für üblich hält.

Säulenwald, Weidenschopf,

traumhaft, doch wahr.


Bauzäune, Brettersteg

säumen den Weg.

Machtgeviert. - Totenhaus.

Trümmerfeld weit hinaus.

Baggern im Wurzelgrund:

Stadt ist noch immer wund,

hat auf mein Wort sich

wie Asche gelegt.


(Dez. 1999)

     


Gras des Vergessens



Allein mit mir und meinem Tag

lausch ich vergangnen Stunden nach.

Zu schnell, was grad noch vor mir lag

ist nun verronnen. - Doch gemach,


noch sind die Farben frisch, die Hände warm,

noch lebt in allem deine Gegenwart.

Nur im Vergessen werden dürr und arm

gegangne Wege - und die Gräser hart.


(Dez. 1999)



Lied von der Scham


Wie die Scham im Kopf

und im Herzen brennt,

wenn Ihr Buchenwald,

wenn Ihr Auschwitz nennt.


Wie es bange macht,

wie es würgt und quält,

wenn die ganze Welt

ihre Opfer zählt.


die Leute sagen,

du warst viel zu jung,

was sprichst du von Schuld

und Verantwortung.



Ach und nehmt Ihr mein Alter

von sechzehn in Kauf:

Nein, das Mitgemachthaben

das wiegt es nicht auf.


(Berlin 1947)